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"Die Not lehrt beten" - Zum Verhältnis von Gebet und Wissenschaft

Ein Beitrag zur Aktion "Kursgruß" von Dr.theol. Ansgar Krimmer, Dekanatsreferent

„Die Not lehrt beten“ – diesen Satz kann man gerade in schwierigen Zeiten wie jetzt in der Corona-Pandemie allenthalben hören. Und tatsächlich könnte man den Eindruck gewinnen, dass der Satz stimmt. An vielen Orten und Zeiten wird nun von vielen Menschen entweder ganz real oder auch in den sozialen Medien gebetet um Beistand, Kraft, Gesundheit, es wird gebetet für die Sterbenden, für die Einsamen, für medizinisches Personal, für Politiker und all die Menschen, die sich für andere einsetzen. Doch genau das stößt so manchen Zeitgenossen auf, und sie stellen die Frage: Gebet oder Wissenschaft?

Dass das eine nicht das andere ersetzt, steht außer jedem Zweifel. Das Gebet um Heilung kann die Forschung an einem Medikament oder Impfstoff nicht ersetzen, ebenso wenig wie die Forschung eine befriedigende Antwort auf die Ängste und Nöte der Menschen geben kann. Nun stellt sich aber die Frage, wie das Bittgebet zu verstehen ist. Die Erfahrung der Menschen zeigt, dass das Gottbitten eben nicht die erwünschten Folgen zeitigt. Da mögen Schülerinnen und Schüler um gute Noten im Wörtertest beten. Wenn sie die Wörter nicht gelernt haben, wird das Ergebnis auch trotz des Bittgebetes nicht erfreulich ausfallen. Solches Beten führt zwangsläufig zu einer enttäuschten Gebetspraxis. Vielleicht ist diese ein Grund, warum sich viele Menschen vom Gebet abgewandt haben und damit auch vom Glauben an Gott. Ein Gebetsverständnis wie oben skizziert versteht das Wirken Gottes als ein direktes Eingreifen Gottes in die Welt im Sinne von: Ich bitte und Gott handelt in meinem Sinne in der Welt. Ein solches vormodernes und magisches Denken wird der Situation, in der die Beterin und der Beter stehen, nicht gerecht.
Ist also das Bittgebet sinnlos? Wenn das Bittgebet das Eingreifen Gottes in die Welt provozieren will oder wenn das Gebet nur als ein Sich-Aussprechen verstanden wird, dann ist diese Frage mehr als berechtigt. Glaube ich jedoch, dass alles, die ganze Schöpfung und das ganze Leben in Gott ist, dass es also keine absolute Trennung von Gott und Welt gibt, dass Gott wirklich Mensch geworden ist, dann ist Gott mit meinem Leben verwoben und nimmt Anteil an diesem. Er lässt sich berühren von den Sorgen und Bitten der Menschen. Im Gebet kann der Mensch erfahren, dass Gott da ist, ein Gott für die Menschen und mit den Menschen ist. In der Verbindung mit Gott im Gebet kann im Menschen die Kraft erstarken, ins göttliche Heilshandeln einzuschwingen und sich für das Leben der Menschen einzusetzen. So verstanden bekommt der Satz „Die Not lehrt beten“ seine sinnvolle Bedeutung.

Leseempfehlung: Christoph Böttigheimer, Sinn[losigkeit] des Bittgebets. Auf der Suche nach einer rationalen Verantwortung, Freiburg i.Br. 2018.
(Foto: pixnio_publicdomain)

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