In der Hospizarbeit hat Monika Müller seit dem Beginn der Corona-Pandemie verschiedene Menschen beobachtet. Sie hat ratlose Ärzte, ängstliches Pflegepersonal und hilflose Helfer gesehen. Ideale der Engagierten in der Sterbebegleitung, wie das, es zu ermöglichen, dass Todkranke an der Hand eines anderen Menschen sterben, waren von einem Tag auf den anderen nicht mehr zu verwirklich. In ihrem Vortrag zitiert sie eine Patientin, die ihren nahenden Tod entgegenblickte und frage: „Wer legt mir den letzten Mantel um?“
Wie ihr Vorredner Dr. Michael Wissert, Erster Vorstandsvorsitzender des Hospizvereins Weingarten – Baienfurt – Baindt – Berg, in einleitenden Worten im Kultur- und Kongresszentrum in Weingarten betonte, wird wenig daran gedacht, dass in Zeiten von Corona Menschen auch auf andere Weise sterben. Kurz nach Beginn der Pandemie wurde die Begleitung schwerstkranker und sterbender Menschen weitestgehend untersagt. Das Abschied-nehmen-können wird seither für Sterbende und Trauernde Angehörige in Frage gestellt und macht die belastende Situation noch schwerer
Die Referentin aus Bonn vergleicht das, was Sterbebegleitung bewirken kann, mit dem „Umlegen eines Mantels“. Im Wort „Palliativmedizin“, das die Behandlung von Menschen mit einer fortgeschrittenen Erkrankung und begrenzter Lebenserwartung beschreibt, ist das lateinische Wort „pallium“ enthalten. Die deutsche Übersetzung des Wortes lautet „Mantel“. Durch medizinische Maßnahmen soll die Lebensqualität der schwer erkrankten Menschen bis zu deren Tod erhalten oder bestenfalls sogar verbessert werden. Doch was heißt das für Engagierte in der Hospizarbeit?
Hospizbegleiter können durch ihre Persönlichkeit, Verbindlichkeit und Bereitschaft viel bewirken, erläutert Monika Müller. Die ehemalige stellvertretende Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz, später dem Deutschen Hospiz- und Palliativverband, spricht vom „Mantel der Würde“. „Ich habe noch die Zeit erlebt, in der in Krankenhäuser von der Milz auf Zimmer 7 gesprochen wurde“, schildert die Referentin. Menschen sollen nicht als Fälle, sondern mit ihren Namen benannt werden. „Wir geben ihnen Ansehen, in dem wir auf die Sprache achten“, so ihr Gedanke.
Mit dem „Mantel der Ohnmacht“ sehen sich aus ihrer Erfahrung Helfer konfrontiert, die dann feststellen: Das Sterben ist ganz anders, als man möchte, dass es ist. Ihr Rat ist es, Erfahrungen des Scheiterns anzunehmen und nicht daran zu verzweifeln. Monika Müllers Theorie vom „Mantel, sich das Leben zu ´nehmen´“, klingt zunächst bedrohlich, wird aber den Zuhörern erklärt: „Wie kann man sterben lernen, wenn man nicht gelernt hat, zu leben?“ Ihr Rat ist es, das Leben zu genießen, um dem schwer erträglichen besser entgegentreten zu können.
Nach ihrem Vortrag bleibt es lange ruhig im Saal. Eine Zuhörerin fragt, wie ihr Rat laute, wenn ein Sterbender mit dem Tod ringt und nicht aus dem Leben gehen möchte. Nach einer Erklärung über vielleicht noch unerledigte Aufgaben sagt Monika Müller abschließend: „Leben wir doch so lange, wie wir können“.